"MA MÈRE L ´  OYE"  und "PETRUSCHKA"

Von musikalischen Miniaturen und einem Antihelden auf hölzernen Füßen

Kostüm "Petruschka" für das Ballett (entstanden aus dem Orchesterwerk)
Kostüm "Petruschka" für das Ballett (entstanden aus dem Orchesterwerk)

Kennen Sie das? Sie müssten eigentlich etwas bestimmtes erledigen und tun alles, nur das nicht. Genau so erging es Igor Stravinsky. Vor ihm lag der Kompositionsauftrag für "Sacre du printemps" als ihn ein Einfall mit einem Mal gründlich ablenkte: Jahrmarktsgetümmel in Sankt Petersburg. Ein Puppenspieler betritt die Szene. Die Marionetten erwachen zum Leben. Zwischen Petruschka, einer Ballerina und einem Mohren entspinnt ein Spiel um Verführung und Eifersucht, das tödlich endet. Was für ein Glück, dass Stravinsky seinem Einfall vom "Kasperl" nachging und ihm musikalisch Leben einhauchte! Schon bei dessen Uraufführung im Januar 1911 feierte sein "Petruschka" großen Erfolg.  

Laideronnette, Kaiserin der Pagoden Kostüm von Drésa für Ma mère l'Oye, - Maurice Ravel 1912
Laideronnette, Kaiserin der Pagoden Kostüm von Drésa für Ma mère l'Oye, - Maurice Ravel 1912

Zur etwa gleichen Zeit dürfte Stravinskys Kollege Maurice Ravel in seiner Villa an der Orchestrierung von "Ma mère l ´  oye" gearbeitet haben. Um ihn herum, im ganzen Haus, Miniaturen. Ravel fasziniert das feine Kleine in jeglicher Hinsicht. "Ma mère l ´ oye" ist musikalischer Ausdruck dieser Leidenschaft: fünf kleine, feine Klavierstücke zu vier Händen, die Ravel für die Kinder eines befreundeten Ehepaar geschrieben hatte und nun für großes Orchester instrumentiert. Es entsteht eine Suite, in der Ravel die schwarz-weiße Fassung des Klaviers mit dem Farbkasten des Orchesters koloriert. Ziemlich genau ein halbes Jahr nach der Uraufführung von Stravinskys "Petruschka" umjubelt das Pariser Publikum nun Ravels Orchestersuite. Er wünscht sich damit, die "Poesie der Kindheit" erwachen zu lassen. Eine Suite voller musikalischer Feinsinn!

Nabil Shehata bringt im Apollotheater Siegen eine Konzertdramaturgie auf die Bühne, die aus der Gegensätzlichkeit der beiden Hauptwerke eine spannungsgeladene Einheit schafft.